Do., 26.09.2024 , 12:35 Uhr

"Mefistofele"-Premiere in der Semperoper

Martina Gedeck: Krisen mit vereinter Kraft lösen

An diesem Samstag startet in der berühmten Semper­oper in Dresden eine Neuinszenierung der Oper „Mefistofele“ des Italieners Arrigo Boito (1842 bis 1918) nach Motiven des Goe­the’schen Faust-Stoffs. Mit dabei ist Film-Schauspielerin Martina Gedeck als „eine Frau“, die dem Teufel entgegentritt. Im Interview erzählt die 63-Jährige von dem Stück und ihrer Sicht auf das Böse in der Welt.


Frau Gedeck, was will uns „Mefistofele“ sagen? Oder besser: Was ist es, was Mefistofele antreibt, wenn er „das Böse meint, aber das Gute schafft“?
Ja, so lautet das berühmte Zitat aus Goethes Faust „Ich bin ein Teil von jener Kraft …“ Im Grunde ist es ein Wortspiel. Mefistofele ist jemand, der von Gott abgefallen ist und Gott und damit das Göttliche, das Leben selbst und alles dem Leben Zugewandte negiert. Das Spannende an dieser Oper ist, dass sie nicht auf Faust schaut, sondern dass Mephisto im Zentrum steht als jemand, der im Nichts lebt und behauptet, dass das Einzige, an das er glaubt, das Nichts sei. Im Grunde sagt er, dass es die Zerstörung ist, die ihn interessiert. Und diese zerstörerische Kraft, der wir alle jederzeit ausgesetzt sind, hat natürlich eine Gegenkraft.

Warum treten Sie als „Frau“ Mephisto gegenüber?
Im Grunde geht es der Regisseurin Eva-Maria Höckmayr in ihrer Konzeption darum, auf der Bühne für Mephisto ein Gegenüber zu schaffen. Dem Goethe’schen Stoff liegt der Kampf zwischen dem zerstörerischen und dem lebenszugewandten Prinzip zugrunde. Und das ist es, was Höckmayr in der Oper verstärken will.
Es braucht eine Figur, die das verkörpert, was sonst nicht auf der Bühne präsent wäre: Das empathische, das göttliche Prinzip, das auf seine Weise arbeitet. Denn wer mit Gott eine Wette abschließt, kann sicher davon ausgehen, dass sich die Dinge nicht einfach so von selbst ergeben, sondern dass Gott anwesend ist und das Seine dazu tun wird, dass Faust nicht am Ende dem Teufel in die Hände fällt.
Es gibt ja ein solches dem Leben zugewandtes Prinzip. Und da auf der Bühne die konkrete Verkörperung eine gute Sache ist, hat die Regisseurin diese Figur kreiert. Ich nehme an, sie hat sich für eine Frau entschieden, um im Stück ein gewisses Gleichgewicht herzustellen. Das Prinzip, das meine Rolle verkörpert, ist eigentlich das empathische, Leben beschützende Prinzip. Und „die Frau“ im Stück macht mit Goethes Worten und durch ihre Präsenz und ihre Taten deutlich, dass es einen Lebenssinn gibt, und dass es möglich ist, ihn zu finden und zu leben.

Martina Gedeck (links) mit „Mefistofele“-Regisseurin Eva-Maria Höckmayr.

Wo viel Licht, da ist viel Schatten: Wieso muss sich die Menschheit als Ganzes immer so plagen?
Wir leben in einer Welt, die so viele Gefahren und Schwierigkeiten birgt, dass man manchmal vergisst, dass wir alle zusammengehören. Die Technik nimmt einen immer größeren Platz ein, einen Platz, den vielleicht früher der Glaube an Gott eingenommen hat. Aber die Technik kann uns nur ein „Tool“, ein Instrument im Leben sein. Das, was wir als Menschen an kostbarem Gut in uns tragen, kann die Technik nicht ersetzen und auch niemals übertrumpfen.
Als Menschen haben wir die Möglichkeit, uns zu „guten“ Wesen auszubilden das heißt, uns ins Positive, auch ins gesellschaftlich Fördernde, ins Miteinander und Füreinander zu entwickeln. Das ist auch mein Lebensbegriff. Das hat für mich mit dem Glauben ans Leben zu tun. Und das ist, denke ich, „das Gute“, das Goethe meint. Dass „das Böse“ von einem Besitz ergreift, erkennt man wohl daran, dass man nichts mehr fühlt.

Ist die Welt heil, wenn jeder jedem hilft, das Paket, das auf eines jeden Schulter lastet, zu tragen?
Ich glaube, es geht nur über die Beziehungen, die jeder zu den Menschen und zu den Dingen aufbaut. Als Mensch hat man eine Verantwortung sich und anderen gegenüber. Und wenn wir das vergessen, dann sind wir verloren.

Die Semperoper in Dresden bietet an diesem Samstag die Premiere der Neuinszenierung von „Mefistofele“.

Welche Rolle kommt dem Teufel zu, wenn man das Leben als Tragödie sieht?
Es hat immer etwas mit dem eigenen Ego zu tun. Auch Mephisto ködert Faust mit nie gekannten und ungeahnten Abenteuern und Dingen, die er vorher nie erlebt hat. Das kann schon etwas sehr Reizvolles haben. Es gibt immer einen Anreiz, noch mehr zu bekommen. Das funktioniert eine Weile, dann aber kommt immer der Moment, wo auch das nicht mehr reicht.
Das Erlösende wäre – um es ganz einfach zu sagen –, die Schönheit der Welt und des Lebens wahrzunehmen und sich nicht in dieses Hamsterrad zu begeben. Faust steckt darin fest: von hier nach da, von da nach dort, von dieser Frau zu jener, von Reichtum zu Weltherrschaft – ohne wahrzunehmen, worin die Schönheit des Augenblicks liegt. Das sagt er ja auch. Faust gelingt es nicht, zum Augenblick zu sagen: „… verweile doch, du bist so schön ...“ Das ist sehr traurig.

Gewinnt das Böse auf dem blauen Planeten derzeit die Oberhand?
Nein, das nicht. Ich glaube aber, dass Ängste, Sorgen und Unsicherheiten größer werden, weil wir uns zurzeit bedroht fühlen. Die Natur kollabiert und lässt uns spüren, was passiert, wenn wir sie nicht achten. Wir sind an einem Brennpunkt angekommen, und sollten versuchen, die großen Krisen mit vereinten Kräften zu lösen, und aufhören, uns gegenseitig zu bekämpfen. Sich zu befeinden, den anderen mehr und mehr als Gegner zu sehen, ist sicher der falsche Weg. Politisch kann man das sehr deutlich sehen. Das hat extreme Auswirkungen auf die Welt und auf das, was in unseren Gesellschaften passiert.

Ist das Schauspiel mehr Schau oder doch mehr Spiel?
Die Silbe „Schau“ im Wort Schauspiel bezieht sich auf das Schauen, das heißt, der Zuschauer schaut und der Spieler spielt. Dass das Ganze ein „Spiel“ bleibt, ist das Wunderbare daran. Nicht nur für mich als Schauspielerin, sondern auch für den Zuschauer, der etwas auf der Bühne erlebt, was aus der Fantasie heraus entstanden ist.
Mit dem Abstand, den der Zuschauer hat, der dabei ist, ohne selbst betroffen zu sein, kann er mitfühlen und sich klarwerden über die Dinge. Das Schöne am Schauspiel ist ja, dass dem Menschen das Spielerische eingeschrieben ist und er – zumindest, wenn’s gut ist – Freude empfindet, beim Spielen zuzuschauen. Wenn wir erst erwachsen sind, spielen wir ja nicht mehr, oder doch nur sehr selten ...

Welches Gottesbild haben Sie? Sehen Sie sich selbst als Teil des Ganzen Gottes?
Alle Lebewesen sind Teil des göttlichen Ganzen.

Interview: Andreas Raffeiner

Information
Mehr zu „Mefistofele“ im Internet unter www.semperoper.de/mefistofele. Martina Gedeck ist demnächst auch im Fantasy-Film „Woodwalkers“ zu sehen. Premiere ist am 24. Oktober, Kinostart am 21. November. Am 4. November wirkt sie im Rahmen der Mendelssohn-Festtage in Leipzig als Sprecherin beim „Konzert zur Todesstunde“ mit.

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