Die Lebenswelt wird immer säkularer. Der christliche Glaube, Frömmigkeit und ein Gebet spielen im Alltag eine immer geringere Rolle. Dass das Gebet bedeutet, in eine persönliche Beziehung zu Gott zu kommen, mit ihm zu sprechen wie mit einem Freund, ist vielen fremd, schreibt Clemens Mennicken in seinem Kommentar. Er ist ausgebildeter Redakteur, seit 2012 Priester und seit Herbst 2022 leitender Pfarrer des Pfarrverbands Nürnberg-Südwest/Stein.
Zwei Wochen vor der Hochzeit hakt die Braut noch einmal nach: „Herr Pfarrer, bleiben Sie nach der Trauung noch zum Essen? Denn wir wollen ein Tischgebet sprechen.“ Schön, dass ihnen das Gebet vor dem Essen wichtig ist, denke ich. Schön, dass sie dabei an mich denken. Und trotzdem stimmt mich das nachdenklich. Schwingt dabei doch eine gewisse Hilflosigkeit mit, die ich öfters feststelle: Zum Beten, da brauchen wir den Pfarrer, der hat es ja auch gelernt.
In vielen menschlichen Begegnungen meines seelsorglichen Dienstes mache ich die Erfahrung, dass kaum jemand etwas dagegen hat, wenn ich mit Gebet beginne oder damit abschließe. Sie selbst würden aber meist nicht auf die Idee kommen, eine Sitzung oder ein Treffen im Gebet Gott anzuvertrauen. Dabei gerät schnell aus dem Blick, dass Gebet nicht einfach die spirituelle Soße ist, mit der wir unser alltägliches Leben schön garnieren, nach dem Motto: Wir hören zu Beginn unserer Sitzung noch schnell einen geistlichen Impuls und dann kümmern wir uns ums Eigentliche. Was wir als Christen tun – ob in der Familie, im Beruf oder in kirchlichen Gremien –, sollte vom Gebet getragen sein.
Die Not mit dem Beten ist jedoch groß. Wenn ich bei Jugendlichen in der Firmlingsbeichte das Thema Gebet anspreche, denken die meisten an den Gottesdienstbesuch. Dass Gebet bedeutet, in eine persönliche Beziehung zu Gott zu kommen, mit ihm zu sprechen wie mit einem Freund, ist vielen fremd. In unserer Sakramentenvorbereitung legen wir sehr großes Gewicht darauf, den Glauben symboldidaktisch zu erschließen. Wo aber lernen Menschen, Jugendliche wie Erwachsene, im Gebet in eine persönliche Beziehung zu Gott zu kommen, ihr Leben in eigenen Worten vor ihn hinzutragen?
Unsere christlichen Gemeinden sollen Schulen des Gebets sein, wie Papst Johannes Paul II. einmal gesagt hat. Was wir brauchen, sind Gebetsschulen, in denen Menschen die verschiedensten Formen des persönlichen und gemeinschaftlichen Betens entdecken und für ihr Leben fruchtbar machen können.